Nezāmi

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Nezāmi, auch Nizami (persisch نظامی گنجوی – Neẓāmī-e Ganǧawī; eigentlicher Name: Elyās ebn-e Yūsef, vollständiger Name: Neẓām ad-Dīn Abū Muhammad Elyās ibn Yusūf ibn Zakī ibn Mu’ayyid; * um 1141 in Gandscha (persisch گنجه, DMG Ganǧa, heute Gəncə in Aserbaidschan); † 12. März 1209/4. Ramadan 605), war ein persischer Dichter und der bedeutendste Vertreter des „romantischen Epos in der persischen Literatur“.

 

Nezamis Mutter Ra'isa war Kurdin. Von seinem Vater Yusūf wird angenommen, dass dessen Familie aus Qom stammte. Nezāmi verwaiste früh und wurde von seinem Onkel mütterlicherseits, Chwadscha Umar, aufgezogen. Nezāmi heiratete dreimal.

Nezāmi war ein Günstling der herrschenden Seldschukenfürsten. Über sein Leben, das er bis auf eine Reise in seiner Geburtsstadt Gəncə verbrachte, ist wenig bekannt. Neben der Literatur war Nezāmi auch in der Mathematik, Astronomie, Medizin, Rechtsprechung, Geschichte, Philosophie, Musik und den Künsten bewandert. Seine Schüler verliehen ihm den Beinamen Hakīm (deutsch Weiser, Arzt).

 

 

Nezāmis Hauptwerk ist das Chamsa („Fünf“) oder „die fünf Schätze“ (pers. pandsch gandsch), das aus fünf voneinander unabhängigen Epen besteht:

·                    Machzan ol-Asrār ( مخزن الاسرار )
„Der Schatz der Geheimnisse“, ein didaktisches Gedicht mit vielen Beispielgeschichten.

·                    Chosrou und Schirin ( خسرو و شيرين )
Ein romantisches Epos, das die Liebe des persischen Königs Chosrou zuSchirin zum Gegenstand hat. Man vermutet, dass Nezāmi in Schirin seiner eigenen, früh verstorbenen Frau Āfāq ein Denkmal gesetzt hat.

·                    Laili und Madschnun ( ليلى و مجنون )
Romantisches Epos, die Liebe des Madschnun zur schönen Leila besingend. Dabei wird Madschnun verrückt, flieht in die Wüste und kultiviert eine unglückliche Liebe, die am Ende zum Selbstzweck wird, bei dem die reale Laila nicht mehr benötigt wird.

·                    Haft Peykar ( هفت پيكر )
„Die sieben Bildnisse“ oder „Die sieben Schönheiten“, eine Sammlung von sieben, die Lebensgeschichte des Sassanidenfürsten Bahrām Gur darstellende Novellen in poetischer Form, darunter die durch Gozzi und Schiller bekannte Erzählung von Turandot. Diese dienen der Erziehung Bahrāms zu einem gerechten Herrscher, wie die Rahmenerzählung zeigt.

·                    Eskandar-Nāme ( اسكندرنامه‏ )
„Das Alexander-Buch“, eine sagenhaft ausgeschmückte Geschichte Alexanders des Großen in zwei Teilen, einem mehr epischen und einem didaktischen, in der u. a. auch die Weisheit des Eroberers gepriesen wird. Dabei erobert Alexander im ersten Teil die physische Welt als Eroberer und im zweiten Teil die geistige Welt als Philosoph.

Daneben verfasste Nezāmi noch einen Diwan mit Oden und Gedichten, der 28000Distichen enthalten soll.

Stil

Nezāmi übertraf die vor ihm geschriebenen romantischen Epen, Warqa und Gulschah und Wis und Ramin, bei weitem und schuf einen Standard für das romantische Epos, an dem sich alle späteren Dichter orientierten. Bis zu ihm waren romantische Epen einfache Liebes- oder Heldengeschichten. Nezāmi jedoch

·                    stellt die Entwicklung seiner Figuren in den Vordergrund und gestaltet die Figuren reichhaltiger. Z.B. lässt der untreue Held Chosrou seinen Rivalen, den treuen Farhād, umbringen und geht ungestraft aus.

·                    legt die literarische Komposition der Handlungen viel differenzierter an. Z.B. begegnen sich Chosrou und Schirin zufällig auf der Reise zum jeweils anderen, und verlieben sich, erkennen sich aber nicht; ein reicher Freund Madschnuns will Lailas Stamm durch Krieg zwingen, Madschnun und Laila zu vereinen, aber Madschnun hasst den Krieg und verbietet es; die Geschichten der sieben Prinzessinnen erziehen König Bahrām zur Verantwortung als König.

·                    verbindet seine Geschichten mit philosophischen Themen, z.B. Schirin = die Liebe an sich; Madschnun = der Gottsucher; 7 Prinzessinnen = 7 Planeten = 7 Seelenzustände; Alexander sucht vergeblich das Wasser des Lebens und diskutiert mit Platon und Aristoteles

·                    führt literarische Symbole ein, die die Handlung widerspiegeln, wie seine berühmten Sonnenauf- und untergänge, die auf das folgende Geschehen verweisen; Den sieben Prinzessinnen entspricht auch je eine Farbe und eine Weltgegend, die die behandelte Emotion symbolisieren und in ihren Geschichten wieder auftauchen.

Nezāmis wichtigste Errungenschaft ist, dass sich seine Epen alle auf einer philosophischen Ebene lesen lassen, bis aufMachzan ol-Asrār und der zweite Teil des Alexanderbuches, die von vornherein philosophisch sind. Auf dieser Ebene behandelt Chosrau und Schirin das Wesen der irdischen Liebe und die Entwicklung Chosraus zum treuen Liebhaber. Leila und Madschnun beschreibt das Wesen der himmlischen Liebe und die Entwicklung Madschnuns zum wahren Mystiker, der der Schönheit der Welt nicht mehr bedarf. Die Sieben Schönheiten spiegeln in den sieben Geschichten die Entwicklung eines vergnügungssüchtigen Prinzen zum gerechten König, der am Ende seinen tyrannischen Wesir (d.h. das Ego) hinrichten lässt. Das Alexanderbuch zeigt nach Nezāmis Einleitung die Entwicklung eines islamischen Propheten (als der Alexander gilt) auf dem Weg zu erst physischer und dann moralischer Weltherrschaft.

Rezeption

Erstübersetzungen in europäische Sprachen

Der Name Nezāmis wurde in europäischen Sprachen durch den französischen Orientalisten Barthélemy d’Herbelot de Molainville bekannt gemacht, mit dem biografischen Eintrag ‹Nazami› in seinem Lebenswerk Bibliothèque orientale oder Dictionnaire universel contenant tout ce qui regarde la Connoissance des peuples de l'Orient, das 1697 postum durchAntoine Galland in Paris veröffentlicht wurde.

Erst 1786 allerdings erschienen 20 Erzählungen aus Nezāmis Mazan ul-asrār (Schatzkammer der Geheimnisse), auf Englisch, durch William Jones, der seit 1783 Richter am Obersten Gericht in Kalkutta war.

Direkt aus dem Persischen ins Deutsche übertragen erschienen 1798 die ersten Nachdichtungen von Nezāmis Chosrau und Schirin in Christoph Martin Wielands Zeitschrift Neuer Teutscher Merkur, die ihr Übersetzer Joseph von Hammer-Purgstall, Absolvent der Wiener Orientalischen Akademie, 1809 in Leipzig als Buch herausgab. Weitere als Buch erschienene (Teil)ausgaben von Nezāmis Werken in europäischen Sprachen sind: Layli and Majnún: a poem (London 1836) von James Atkinson, Behram-Gur und die Russische Fürstentochter (eine Teilausgabe der Sieben Schönheiten) in einer zweisprachigen persisch-deutschen Ausgabe von Franz von Erdmann (Kasan 1843) sowie Alexanders Zug zum Lebensquell im Land der Finsterniss von Hermann Ethe, publiziert 1871 in München.

Heutige Rezeption weltweit

Mit Skulpturen, die Nezami abbilden, wird dem Dichter in vielen Ländern der Welt gedacht, in Iran und in Aserbaidschan in vielen Städten sowie in Moskau, in Sankt Petersburg, in Kiew, in Peking, in Taschkent, in Marneuli, in Chișinău, in der Wolga-Republik Udmurtien sowie in Rom, wo 2012 in der Villa Borghese für den persischsprachigen Dichter ein Denkmal enthüllt wurde.

Die UNESCO erklärte das Jahr 1991 zum Nezāmi-Jahr.

Musik

·                    Eric Clapton / Derek and the DominosLayla (1970; Titelsong aus Layla and Other Assorted Love Songs)

·                    Horst LohseEpitaph für Nizami (1976–78). Préludes für großes Orchester. UA 26. November 1979 Coburg (Orchester des Landestheaters, Dirigent: Reinhard Petersen)

Theater

·                    Horst Lohse (Libretto und Musik): Die Abenteuer des schönen Mahan. Ballett in 4 Teilen. 1. Fassung (1979/80) mit Klavier zu 4 Händen und Schlagzeug (2 Spieler). UA 10. Oktober 2007 Nürnberg (TafelhallePegnitzschäfer-Klangkonzepte). 2./3. Fassung (1980–83) mit Orchester. 4. Fassung (2004/05): Mahan, mit Kammerensemble (Bearbeitung von Sorin Petrescu). UA 1. Juli 2005 Bamberg (E.T.A.-Hoffmann-Theater; Ballett der Oper Timișoara)

·                    Peter Schneider und Aras Ören (Libretto) / Detlev Glanert (Musik): Leyla und Medjnun. Märchen für Musik. UA 28. Mai 1988 München (Gasteig, Carl-Orff-Saal; im Rahmen der 1. Münchener Biennale)

·                    Leila und Madschnun, Musiktheater, Libretto: Albert Ostermaier, Komposition: Samir Odeh-Tamimi; UA: 2010RuhrtriennaleJahrhunderthalle Bochum

 

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